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UnGemach, Stop-Motion-Animation

UnGemach
gezeichnete Stop-Motion-Animation, 2009/10
Sequenz 1, Standbilder
In der ersten Animation sieht der Betrachter zuerst eine Rückansicht der sitzenden Figur, mittig im Bild. Die Figur erhebt sich dann und schreitet (in der Seitenansicht) von links nach rechts durch den Raum, der Kopf kann dabei nicht gerade nach oben gestreckt werden und ist demzufolge zum Körper geneigt. Wie um die geduckte Stellung aufzuheben, bleibt sie stehen, stützt sich gegen den oberen Raum- oder Bildrand und geht in die Knie. Wie in einer Sportübung geht sie insgesamt drei Mal in die Knie und erhebt sich dann jedes Mal wieder. Zwischendurch zittert sie. Als sie wieder still steht, fährt sie mit der Hand in ihr Hemd und es tut sich eine Tasche darin auf, die vorher nicht sichtbar war. Sie entnimmt daraus etwas rundes und wirft es nach einem kurzen Moment des Zögerns und Zitterns zu Boden. Daraufhin setzt sich die Figur in derselben Position wie zu Anfang auf den Boden und das Bild blendet in schwarz aus.
Die Arbeit UnGemach bestehet aus drei zusammengehörenden kurzen Sequenzen (gezeichnete Stop-Motion-Animationen, Kohle- und Kreidezeichnungen auf Papier, jeweils ca. 1 min., unterlegt mit Klängen), die gleichzeitig und jeweils als Schleife ablaufen und im Raum zur Installation werden. Die Arbeit wurde zum ersten Mal im Januar 2010 in meiner Bachelor-Abschluss-Ausstellung in der Medienwerkstatt des Kunst-instituts der Universität Greifswald gezeigt. Die einzelnen Animationen erzählen von möglichen Formen des Lebens im Un-Gemach. Das Un-Gemach stellte im Mittelalter das unterste Verlies dar, eine Gefängniszelle, die nicht hoch genug war um aufrecht darin zu stehen und nicht breit genug um ausgestreckt darin zu liegen. In jeder Animation ist eine Figur zu sehen, die sich in einem quadratischen (in der Vorstellung kubischen) Raum bewegt, der ein Un-Gemach für sie darstellt. 
Sie richten und richten von Albert Camus (in Nitschke, Horst: Ich suche Menschen, Geschichten und Szenen von der Suche nach Menschlichkeit, J.F. Steinkopf Verlag GmbH, Stuttgart 1977). Camus schreibt darin über die Möglichkeiten im Un-Gemach zu leben: „Man mußte sein Glück im Winkel suchen und diagonal leben. Der Schlaf war ein Kauern, das Wachen ein Fallen.“ (ebd.: 34) In der dreiteiligen Animation entsteht eine Verbindung der Darstellung eines möglichen Lebens im Un-Gemach mit Gefühlen, wie sie in der Idee des Absurden bei Camus auftauchen. Das immer neue Bewusst-werden einer absurden Situation durch die Figur und der Umgang mit dieser Situation (dem Raum) stehen im Mittelpunkt der Arbeit. Die Grundstimmung in den Sequenzen ist nicht von reiner Tragik geprägt, sondern auch von einer Verkehrung dieser - in die Tragikomik.

Die drei Animationen werden auf drei Monitoren präsentiert, die jeweils auf einem Podest stehen. Die Po-deste sind über drei Seiten (U-förmig) in einer quadratischen Grundfläche angeordnet, so dass der Betrach-ter von der vierten, freien Seite auf alle drei Bildschirme sehen und sogar in die Mitte der Animationen treten kann. 

Ästhetisch orientiert sich diese Arbeit an den Filmen des Künstlers William Kentridge. Zwar sind die Zeich-nungen hier, anders als bei Kentridge, nicht detailliert, sondern stattdessen sehr verinfachte, mit wenigen Strichen angefertigte Bilder die sich so auf das Wesentliche konzentrieren, doch ist die Technik sehr ähnlich. Mit Kohle wird auf Papier ein Bild gezeichnet und dann auf demselben Blatt verändert. Die nur ausradierten, aber dadurch nicht vollständig gelöschten alten Zeichnungen sind immer auch Teil des aktuellen Bildes. Indem die verschiedenen Stadien dieser Zeichnung fotografiert werden, entsteht ein Stop-Motion-Film.

In jeder der drei kurzen Animationen ist eine Figur zu sehen, die sich von den jeweils anderen beiden nur durch die Farbe des Hemdes unterscheidet, mit dem sie bekleidet ist (in Animation 1: oranges, 2: blaues, 
3: grünes Hemd). Alter, Geschlecht, oder andere soziodemographische Merkmale der Figur können nicht bestimmt werden. (Beschreibungen zu den drei Sequenzen finden sich jeweils unter den Standbildern.)

Die einzelnen Animationen werden von Geräuschen begleitet, die jedoch nicht einzelne Handlungen unterstützen, sondern eine Atmosphäre schaffen. Der Gesamtklang der drei Animationen kann als knatterndes, melodiöses Rauschen beschrieben werden.
Sequenz 2, Standbilder
In der zweiten Animation ist anfangs eine auf der Seite, mit dem Kopf am rechten Bildrand liegende, Figur zu sehen, deren Vorderseite zum Betrachter gerichtet ist. Aufgrund der räumlichen Begrenzung füllt ihr Körper, trotz angewinkelter Beine, die Horizontale aus. Die Figur scheint zu schlafen. Sie dreht sich dann auf den Rücken, richtet den Oberkörper etwas auf - um die Beine ausstrecken zu können - kratzt sich am Rücken und beginnt, mit den Zehen zu wackeln. Sie setzt sich dann auf, streckt den Rücken durch und drückt sich über die Hocke nach oben. Mit durchgestreckten Beinen, aber angewinkeltem Kopf wandert sie von etwa der Mitte des Bildes rückwärts zum rechten Bildrand. Dort bleibt sie stehen, rutscht mit ihrem Körper in die Diagonale - indem sie die Füße auf dem Boden nach vorn (links im Bild) gleiten lässt - und scheint schließlich eine etwas angenehmere Position erreicht zu haben. Hinter der für den Betrachter verdeckten Körperhälfte holt sie Seifenblasutensilien hervor und beginnt Seifenblasen in den Raum zu pusten. Die ersten Seifenblasen zerplatzen noch, die folgenden jedoch nicht und stapeln sich schließlich übereinander, bis der gesamte Raum um die Figur gefüllt ist und nur noch ihr Kopf heraus guckt. Sie pustet einen kleinen Raum um ihren Kopf frei, bevor das Bild in schwarz ausblendet.
Sequenz 3, Standbilder
In der dritten Animation sitzt die Figur im linken, unteren Bildrand. Der Rücken berührt die linke Wand, der Oberkörper ist leicht nach vorn (von links nach rechts) gekippt, der Kopf hängt vorn über und ihre Beine liegen nach vorn ausgestreckt auf dem Boden. Ihre Arme sind verschränkt und die linke Hand kratzt kurz den rechten Oberarm. Die Figur setzt sich dann aufrecht, indem sie den ganzen Rücken und den Kopf an die linke Wand lehnt. Plötzlich kratzt sich die Figur mit der linken Hand am Kopf, woraufhin ein Insekt (eine Fliege) aus dem Haar hervor zu fliegen scheint. Die Fliege fliegt gegen die Decke, kreist und fällt schließlich fast auf die Füße der Figur. Um das zu verhindern, zieht diese schnell ihre Beine an. Die Fliege fliegt nun, gegen den Uhrzeigersinn, in einem großen Kreis den Raum von rechts unten nach links oben aus und die Figur folgt ihr mit ihrem Blick bzw. ihrem Kopf. Als ihr die Fliege zu nah kommt, schlägt sie sie mit dem linken Arm weg nach vorn. Die Fliege fliegt dann, im Uhrzeigersinn, den Raum in Kreisen aus. Wie ein schwarzer Kondensstreifen zeichnen sich diese Kreise des Fliegenfluges in den Raum, während die Figur transparenter wird und das Bild schließlich in schwarz ausblendet.
UnGemach, Stop-Motion-Animation
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