Kaspar Manz's profileJanina Woods's profile

Sex, Drugs & WoW

«Der Schlüssel klickt im Schloss, und die Türe zu deiner Wohnung schwingt auf, hinein in ein schwarzes, dunkles Loch. Du trittst ein, lässt die Türe hinter dir zufallen. Kein Licht. Du bist diesen Weg so viele Male schon gegangen, du kennst ihn blind, auch mitten in der Nacht. Du lässt deine Tasche in eine Ecke fallen, streifst die Schuhe ab und lässt sie im Flur liegen. Kommt doch niemand mehr. Wird ja doch niemand sehen. Du schlurfst in die Küche. Eigentlich bist du ja viel zu müde, um noch irgendwas zu tun. Aber schlafen gehen? Nicht in deinem Zustand.
 
Selbst das Licht des Kühlschranks scheint dir grell und unangenehm. Eine lange Weile stehst du davor, ohne dich zu rühren. Schliesslich nimmst du die offene Flasche Rotwein aus der Türe. Klaubst ein Weinglas aus dem Schrank. Schenkst dir ein. Stellst die Flasche wieder zurück und schlurfst damit in dein Wohnzimmer. Ein Klick – und die italienische Designerlampe, die du sorgfältig zu dem spanischen Designerledersofa ausgewählt hast, lässt den Raum in freundlichem Licht erstrahlen. Eines Tages, schwörst du dir, drehst du dieser zwanghaft gutgelaunten Lampe den Hals um. Nicht heute. Heute bist du zu müde. Du lässt dich auf das Sofa fallen. Schaltest den Fernseher an. Bemerkst den Rotweinfleck auf dem Boden, der immer noch nicht geputzt ist. Eines Tages – nicht heute. Du nippst am Glas und zappst dich durch die Sender, ohne hinzusehen.
Klick. Klick.
 
Klick.
 
Klick.
 
Eine Flut aus grellbunten Obszönitäten ergiesst sich aus dem Fernseher über dich, und du lässt es geschehen, ertrinkst im Sumpf der Dauerwerbesendungen und Talkshowwiederholungen. Egal. Deine Gedanken drehen sich nur um die Lücke neben dir. Ein Vakuum, das sich unangenehm bemerkbar macht. Da sollte jemand neben dir sitzen. Und mit dir zusammen diesen Müll ansehen. Oder Rotwein trinken. Oder was auch immer. Einfach hier sein. Dich in den Arm nehmen nach dem harten Tag, den du hattest.
 
Doch da ist niemand. Da ist nur das Rotweinglas in der Hand, und der vor sich hin plärrende Fernseher, der zumindest die Illusion schafft, dass du nicht ganz alleine bist. Du versuchst den Stimmen zu folgen, doch du wirst träge, bis du schliesslich auf dem für eine Person viel zu grossen Sofa einschläfst – und nicht mal merkst, dass du das Rotweinglas umstösst. 
 
Ein Sonnenstrahl auf dem Gesicht weckt dich am nächsten Morgen. Dein Kopf hämmert unbarmherzig. Fast trittst du in das Weinglas, das in einer Lache aus Rotwein auf dem Boden liegt. Du schleppst dich in die Küche. Ohne hinzusehen, schaltest du die Kaffeemaschine ein, füllst Kaffeebohnen ein, stellst eine Tasse darunter. Handgriffe, die du schon viel zu viele Male gemacht hast, und nun zu einer fliessenden Handlung verschmolzen sind. 
 
Und während du vor deiner Tasse Kaffee sitzt, aus der sich ein zierlicher Dampfschwaden nach oben windet, überlegst du dir, was am Tag zuvor geschehen ist. Wenn du es recht bedenkst, hast du zwei Möglichkeiten. Entweder, du lässt alles fallen. Vergisst das ganze. Schliesst das Buch. Game over.
 
Oder du versuchst es noch einmal. Irgendwo muss es doch jemanden geben, der zu dir passt, oder nicht? Vielleicht hast du diese Person einfach noch nicht getroffen. Und wenn du heute nicht etwas tust, würdest du sie für immer verpasst haben  … 
 
In deinem Kopf spielst du die Varianten durch. Du könntest einfach mal Blau machen, und World of Warcraft zocken – mit diesem Brummschädel wärst du auf der Arbeit wohl nicht zu viel nütze. Du könntest auch versuchen, ein Profil auf einer diesen Online-Dating-Sites zu schalten. Oder du könntest deinem Pflichtgefühl folgen, dass dir schon seit einiger Zeit mitzuteilen versucht, dass du längstens auf der Arbeit sein solltest. Du blinzelst in die Sonnenstrahlen des Morgens hinein.
 
 Ein neuer Tag voller Möglichkeiten hat eben begonnen.»
So beginnt das Abenteuer: eine multilineare Geschichte, geschrieben von insgesamt sechs Autorinnen und Autoren. Die Leserin oder der Leser macht sich in der Grossstadt auf die Suche nach Liebe. Nicht ein einfaches Unterfangen, wie sich schnell herausstellt. Ein Date kann schnell zum Albtraum werden ...
Features
Das komplette Flowchart, das während der Planung der Geschichte erstellt wurde.
- Nur wenige Sackgassen. In den meisten Fällen führt der Text wieder an den Anfang, damit ein neuer Anlauf genommen werden kann – was unbedingt gemacht werden sollte, stellt doch gerade dies der Charme des Textes dar.
 
- Je nachdem, welche Entscheidungen man trifft, erlebt man dieselbe Situation aus unterschiedlichen Perspektiven: einmal als Täter, einmal als Opfer, einmal als unbeteiligter Beobachter.
 
- Einige Szenen, obwohl textlich genau gleich, haben gänzliche andere Bedeutung, basierend auf den vorhergehenden Ereignissen. Was für einen Leser in die Realität der Figur eingebettet scheint, ist für eine andere Leserin nur ein Computer-Game.
Credits
Idee und Konzept
Kaspar Manz, Dania Meier, Christian A. Merki, Sebastian Tobler, Janina Woods
 
Story-Planung
Kaspar Manz
 
Autoren
Kaspar Manz, Dania Meier, Christian A. Merki, Sebastian Tobler, Janina Woods
 
Illustrationen
Petra Imboden, Janina Woods
 
Layout
Kaspar Manz, Dania Meier
Sex, Drugs & WoW
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Sex, Drugs & WoW

What happens when a contemporary 20-something-year-old is looking for love? All kinds of weird stuff, that is – at least in this collaborative mu Read More

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