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Fernmeldung.0008 / Alles Schrott im Januar

Ja komm, wat solls, pöbeln wir halt mal wieder. 

Ist schließlich Januar und im Januar ist bekanntlich alles Schrott. Das Jahr ist zumindest bei mir immer wie eine Rampe, man fährt langsam an und kommt in Tritt, zack, rein geht es in den Sommer und es wird warm, der Urlaub steht vor der Tür, an dessen Ende wartet der farbige Herbst, der mit rauem Wetter und einer Hucke Gemütlichkeit sowieso nie enttäuscht und schließlich übergeht in die fast schönste Zeit des Jahres, Weihnachten. Silvester ist dann noch die Cocktailkirsche auf dem Hawaiitoast, die man eigentlich nicht braucht, aber trotzdem isst, weil sie halt eben da so auf dem Toast rumlungert. 

Und zack, hebt man ab. Nur dass man über die Feiertage derart fett geworden ist, dass man nicht segelt, sondern kracht, und nicht sanft landet, sondern aufschlägt. Und da steht man dann, Mitten in einer grauen Wüste des Januars, kneift die Augen zusammen um etwas in der Ferne erspähen zu können. Aber da ist nichts. Keine Wärme, keine Feiertage. Nur ein paar Pflichten und viel Arbeit stehen rum. Der einzige Ausweg ist da noch im Januar Geburtstag zu haben, das könnte vielleicht über die Durststrecke hinweghelfen. Kann man denn seinen Geburtstag ändern lassen?

Die paar Pollern, die ich also gerade mit zugekniffenen Augen rumstehen sehe, sind die Hausarbeiten und Prüfungen. Allesamt wissenschaftlich, also einen Erkenntnisgewinn bringend. Aber machen wir uns nichts vor. Die meisten von uns Geisteswissenschaftlern schreiben die Dinger doch nicht, um die Forschung voranzubringen, die meisten Geisteswissenschaftler schreiben die Dinger, um den Kurs zu bestehen. Und eine Vielzahl der Dozenten macht den Eindruck, als hielte sie die Kurse auch nur, um ein wenig in der universitären Leiter klettern zu dürfen. Und so ist dem anfänglichen Enthusiasmus auch schon wieder dem großen Fragezeichen gewichen, was mir das Ganze bringt, außer hoffentlich einem M.A. vor meinem Namen und einer Menge Freizeit, die ich in Eigenmotivation sinnvoll und erfüllend gestalten kann.  Für einen Job qualifiziert mich das Gelernte zumindest nicht. Alles interessant und so, der Expertenstatus springt dabei für mich trotzdem nicht raus. 
Wie war das? Humangeographen sind wie Enten. 
Wir können fliegen, schwimmen und laufen, aber nichts davon so richtig. 

Die Konsequenz aus diesen ganzen Erkenntnissen hab ich noch nicht so recht gefunden. Sattel ich also um? Poker ich einfach drauf los? Steig ich also aus? Ja, das System ist scheiße, aber Geld wächst nicht auf den Bäumen und Unterstützung von den Eltern gibts auch nicht bis 67. Immerhin den ersten Schritt zur gesicherten Zukunft hab ich vergangen Montag am Rewe an der Kasse gewagt und bin jetzt stolzer Besitzer von 15 Rewe-Glückslosen, die gibts ab einem Einkaufswert von 15 Euro. Für 250 Euro eingekauft hab ich natürlich nicht, aber laut HIER geschrien, als die Friedrichshain-Mutti gefragt hat, ob ihre Lose wer anders will. Die braucht eben keinen BMW i3 mehr neben ihrem SUV-Fuhrpark. Ich aber schon. Die Losziehung ist am 26. Februar, solange muss ich also noch auf meinen E-Stromer warten. Sobald ich ihn hab, wird er verkauft und dann gibts endlich Startkapital für die Selbstständigkeit, man muss eben nur die Gelegenheiten ergreifen, die einem das Kassenband vor die Füße schiebt. Alles wie immer im Januar, man stürzt sich auf jede Hoffnung. 

Natürlich übertreib ich wie immer und hab insgeheim die standesgemäße Packung Honig um den Mund, den mir das gute Leben dort immer in regelmäßigen Abständen hinschmiert. Manche Dinge werden sogar besser im Januar, weil man sie zwischen Unmut und Tristesse mehr zu schätzen weiß. Die Kaffeepause in der Bibliothek zum Beispiel. Oder die S-Bahnfahrt, in der man endlich mal wieder unproduktiv aus dem Fenster glotzt. Oder die wunderbaren Gelegenheiten, zu Prokrastinieren, und zwar bei jeder Gelegenheit, die sich bietet.
Zum Beispiel bei der Glühweinfahrt von Fahrtwind Berlin mit sechzig, siebzig anderen Radfahrern 30 km raus aufs Brandenburger Land am letzten Samstag. Daher stammen übrigens auch die Bilder. Man fühlt sich mit der alten Mühle vom Papa zwar etwas underequipped zwischen Kurierfahrern, wildesten Lastenrädern und 3000-Euro-Rennrädern, aber die RadlerInnengemeinschaft ist ja bekanntlich eher von toleranterem Schlag. Und spätestens mit Tasse am Lagerfeuer zählt man dann ohnehin wieder zum Feld der Sprinter. Das beste Jäckchen ist schließlich das Cognac-chen, wie mir auf der diesjährigen Weihnachtsmarkt-Saison mitgeteilt wurde. Kalt wurde die Nacht trotzdem, nachdem sie mit dem Kommilitonen gemeinsam im Doppelschlafsack verbracht wurde. Der sollte sich eigentlich in 2 Einzelschlafsäcke teilen lassen, hat es aber nicht getan. Die isolierende Wärme ist damit schön dahin und was da in unseren Schlafsack zieht ist mehr Kälte-Hoover-Damm als Kälte-Brücke. Aber man passt sich schließlich immer an die Umgebung an, und da gibt nunmal keine Wärme in diesem schrottigen Januar.
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Fernmeldung.0008 / Alles Schrott im Januar

Der Januar ist ein schrottiger Monat.

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