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Showroom: Alltagshelden - keine Märchengestalten!

Warum der Showroom Alltagshelden braucht und keine Märchengestalten.

Zu Beginn  müssen wir den alten Ur-Bildern der Helden in uns nach-spüren. Oben ist eine Heldin abgebildet, wegen der Gleichberechtigung und weil nur die Heldin (- nicht aber ein Held) mit zwei Drachen gleich-zeitig fertig wird. 

Wir Deutschen lieben unsere Helden, hier mal nicht an Fussball, sondern an Jung-Siegfried und die alte Nibelungen-Sage gedacht. Die Nibelungen-Story beginnt sogleich powerful, keine Zeit für Langeweile:

           Uns ist in alten Mæren       |  wunders vil geseit
          von Helden lobebæren,      |  von grôzer arebeit,
          von freuden, hôchgezîten,  |  von weinen und von klagen,
          von küener recken strîten   |  muget ír nu wunder hœren sagen.

Der Held leistet große Arbeit (- aber nicht ständig, er hat auch heldenfreie Zeit). Der Basis-Held bleibt also unser Herr Drachentöter, der nicht nur ein überaus mutiger Geselle ist, sondern nach getaner munterer Arbeit seine Freizeit hat und ein wenig feiern kann. Denn die originäre Heldenarbeit ist getan, der Drache geköpft. Zum Heldentum gehört unbedingt der Feierabend*.
Das ist bei unseren Märchengestalten gewaltig anders. Denn im Märchen schaffst du unentwegt. Du bist bei prinzipieller Bereitschaft zur Vollzeittätigkeit entweder Vollpower-Teilzeit-Hexe (drei Stunden pro Woche langen da schon) oder gar nichts. Dafür musst du in Märchen den ganzen Tag ackern oder zumindest, wenn du Hexe bist, ein paar Stunden lang hurtig mit deinem Besen durch die Luft fliegen [- oder empfindsame Heranwachsende im Ofen verbrennen (wollen). Siehe Jacob Grimm, "Hänsel und Gretel", 1812, in aktuellerem Deutsch bei Gutenberg]. 

Selbst wenn du nicht mit deinem Besen durch die Luft orgelst, bist du als Hexe immer noch funktionale Hexe und Hexe auf Abruf. Nur eben nicht im Fluge.

Fazit: Als Märchenwesen bist du zumindest teilzeitbeschäftigt, als Held bist du Freiberufler und schuldest den Erfolg. Ohne toten Drachen bist du als Drachentöter relativ erfolg- und sinnlos. Harte Welt ...


Was bringt uns das für das für unsere Showrooms (- "für das Webdesign", wenn man denn das ganze Web designen könnte) ???

Die Antwort nun ist einfach: wir bilden immer nur Helden, Heldentaten ab, keine Hexereien. Unsere Welt wird von den Bildern der Heldensagen bestimmt, nicht von der Märchen-Bilderwelt. Da es gegenwärtig an Drachen eher einen totalen Mangel hat, loben wir konsequenterweise nicht den Tod des Drachen, sondern das Produkt, die Ware, die Marke. Und da ist dann die ganze Geschichte wichtig**. Deswegen suchen wir nach Ihrer höchst-individuellen Helden-Story ...

Das Reaktionsschema eines Helden (- oben wegen Gleichberechtigung abgebildet: eine Heldin) ist übrigens analog dem Comic: Bumm - bumm - bäng - bäng. Das mag man als etwas unintellektuell beklagen (das ist aber nicht saudumm, denn es gibt Blöderes). Denn letztlich erfreut gerade das den IT-ler, denn es werden klare Ja-/Nein-Entscheidungen verlangt. Im Falle unseres Drachentöters:

          100 Drache da? Ja/Nein?
          200 Drache unfreundlich? Ja/Nein?
          300 Drache verhauen? Ja/Nein?
          400 Drache tot? Ja/Nein?
          900 Wenn Ziel erreicht - dann Held! { - be happy + Feierabend ...}

Man sieht also, vom Reaktionsschema her ist der Held nicht allzu kompliziert. Wir ersparen uns also das Struktogramm.

Um ein klein wenig mehr Komplexität in das Spiel zu bringen benötigen wir Hintergrund-Geräusche. Dieses ganze Komplexitäts-Gehabe mit dem Innenleben der Helden, mit der Psyche, dem Seelenleben der Helden gar, ersparen wir uns. Denn letztlich immer unergründlich. Zudem völlig irrelevant.

So ist das im Showroom Konzept: Helden (und Heldinnen), wenig German Innerlichkeit, etwas Geräusche und bum-bäng-zap! Etwas Action ist immer dabei und gehört zum Helden dazu (- ist quasi systemimmanent). Auf jeden Fall ist Held-sein und das Showroom Konzept nie langweilig ...
* Die Figur des Helden passt nicht in unsere Industriegesellschaft und ist völlig inkompatibel. Helden sind die archetypischen Antipoden zur Figur des Arbeitnehmers. Die Rolle des Helden aus der Sage und die Rolle der Märchengestalt aus dem Märchen entstammen unterschiedlichen Leistungsmodellen. Der Held ist Freiberufler, die Märchengestalt abhängig Beschäftigter.

In unserer Leistungsgesellschaft wird erwartet, daß die Leistung während der Arbeitszeit von bis zu acht Stunden täglich kontinuierlich erbracht wird. Der moderne Arbeitnehmer benötigt also Ausdauer und Durchhhaltever-mögen. Der moderne Arbeitnehmer muß seine tägliche Leistung einteilen und aufsparen, mit seinen Kräften haushalten, damit er den Tag übersteht. 

Unser Held dagegen kennt kein Aufsparen seiner Leistung. Der Held hat die Freiheit seine Helden-Leistung unter Verausgabung seiner Kräfte zu erbringen. Denn zur Rolle des Helden gehört nie, dass der Held nach seiner Heldentat einen Zahnarzttermin hat, Babywindeln einkaufen muß oder das Auto in die Werkstatt bringen muß. Der Held kann seine Kräfte verschwenden, weil er nicht in feste Strukturen, Regelarbeitszeiten und wirtschaftliche Strukturen eingebunden ist. Das macht Helden stark, zur punktuellen Helden-Tat. Kein Geld im Sack, aber Drachen erschlagen ...

Im Märchen gehört die Figur der Hexe zweifellos dem Prekariat an. Nicht nur, dass sich Prinzessinen-Kleidung von Hexenkleidung grundlegend unterscheidet, Hexenkleidung hat stets extremen Used-Look. Die gesellschaftliche Wirklichkeit dreht mit dem Glaubensbekenntnis "allen-geht-es-gut" das Ende des Märchens "und sie lebten glücklich bis an das Ende ihrer Tage" um. Aus der schlichten Tatsache des "Noch-Lebens" wird das "allen-geht-es-gut" geschlussfolgert. Das ist Märchenlogik in einer gesellschaftlichen Märchen-Realität. Da das Märchen zum allgemein akzeptierten gesellschaftlichen Erklärmodell geworden ist, hat mittlerweile die Heldensage emanzipatorischen Charakter.

WebDesign unter Zeichnung von Helden [und die Vermeidung der Märchen-Story] gibt uns auch die Freiheit ungewöhnliche Helden zu zeigen und aus der Märchenwelt auszubrechen. 

Der Ausbruch aus der Märchenwelt ermöglicht es uns von Everyday Heroes zu sprechen. Die Überwindung der Erzählform des Märchens und der Ausdruck in den Bildern der Sage gibt Power. Wir poppen deshalb gerne sogar einfache Alltags-Helden auf. Da denkst du oft noch nicht mal, daß die auch nur ansatzweise Helden sein könnten. 

Unsere Helden sind die POI´s - die Persons of Interest. Es geht nicht darum, jemanden reisserrisch in die Mitte zu stellen, der nicht zur Mitte gehört oder der nicht in die Mitte will. Denn wir machen "kein Dschungelcamp mit anderen Mitteln". Es geht darum, sich mit dem Helden (der Heldin) zu beschäftigen und zu sagen: Der/die ist auch da. Helden sind halt POI's - Persons of Interest - die Interesse wecken. 

Deshalb Licht aus, Spot an - auf Alltags-Helden. Zu den Alltags-Helden gehören auch die Armen, die Zwangs-Minimalisten, denn das ist mittlerweile die größte gesellschaftliche Gruppe. Diese Gruppe bezeichnet man heute gerne als Prekariat. Was auch den Vorteil bietet, daß die Armen nicht verstehen, wer gemeint ist. Es wäre doch fatal, wenn Stigmatisierung und Ausgrenzung letztlich ein Nicht-Mehr-Sehen bewirken würden. Deshalb brauchen wir die Alltags-Helden. Für die eine Welt, in der  a-l-l-e   da und gegenwärtig sind. 

Everyday Heroes sind die bildhaften Äquivalente der Floskeln, die unsere Politiker immer so gerne in ihren Sonntagsreden erwähnen. Man kennt das ja: "die Krankenschwester". Die immer gern zitierte "Krankenschwester" ist übrigens die Weiterentwicklung des Begriffs "Kriegerwitwe". Man kennt das vielleicht noch, die Kriegerwitwe, die mühevoll ihre Kinder durch´s Leben bringt ...

** Die Amis können das mit der Helden-Story. Als junger Mann habe ich bei UPS Pakete verladen. Vor Beginn of the Work haben wir einen Film über den Gründer von UPS angesehen. Der muntere Gründer hat anfänglich mit dem Fahrrad Pakete ausgefahren, später mit dem Auto, dann hatte er mehrere LKW´s, dann eine Fluggesellschaft, dann die ganze USA, dann die Welt. Das ist eine Geschichte, die mir über 30 Jahre im Brain blieb, denn die ist gut. 

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Warum der Showroom echte Helden braucht und keine Märchengestalten

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