VORWORT

Die Affinität zu Holz musste man mir in der Schule anerziehen, die Liebe zur Musik wurde mir offenbar in die Wiege gelegt und war immer mein Rückzugspunkt. Nach vier finsteren Schuljahren als Instrumentenbauschüler im wahrscheinlich engsten und von Asiaten meist geliebten Ort Österreichs nimmt die Mehrheit gerne eine Pause von Randeinlagen und Hobel und kehrt auch meist nicht mehr in den Beruf zurück.

Zurück zum „Ursprung“ brachte mich nach einigen Jahren ein Treffen mit einer Bildhauerin, die ich bis dahin nur flüchtig aus Hallstatt kannte. Einige Biere später war die Zusammenarbeit beschlossen und die Ideen sprudelten nur so dahin. Zu den entstandenen Entwürfen einer gemeinsamen Arbeit gab es sofort sehr emotionale Standpunkte unserer Freunde und Professoren, was uns dazu anregte am Ball zu bleiben. Aus einem Traum – „Wir schnitzen eine Skulptur in einen lebenden Baum“ – wurden drei Fotoserien, zwei Performances und ein toter Baum.

Wäre man gläubig, man würde wohl an eine göttliche oder schicksalshafte Fügung denken, aber es war eher ein Ereignis nach philosophischer Manier. Denn es ergab sich an einem verschneiten Arbeitstag auf der Sölker Alm, dem ich einen weitläufigen Inspirationsspaziergang widmete, dass sich ein Luchs in meine Nähe verirrte und mich für einen Augenblick, der mir wie eine Ewigkeit schien, von einem Felsvorsprung aus anstarrte. Ich habe mir im Nachhinein sagen lassen, dass die Wahrscheinlichkeit, den scheuen Luchs in freier Wildbahn zu Gesicht zu bekommen, sehr gering und nur durch langwierige Beobachtungen und technische Hilfsmittel möglich sei.

Die Einzigartigkeit und zugleich vollkommene Unberechenbarkeit solcher Ereignisse lieferte den Titel zur Masterarbeit und gab mir das Gefühl, die Natur sei chaotisch und willkürlich. Aus einem inneren Drang heraus, die Unberechenbarkeit, Willkür und Unzerstörbarkeit der Natur zu studieren, damit zu arbeiten und sie zu zeigen, entstand die Idee, mir die Überwallung des Baumes zunutze zu machen, um ins Innere des Baumes, als Inbegriff der Natur, einzudringen und ihm ein Sprachrohr zu geben.

Die Recherchen zeigten die Gegensätzlichkeit und Widersprüche der verschiedenen Wissenschaften und Ansichten, die mit dem Thema zusammenhängen. Diese Gegensätzlichkeit galt es zu überbrücken und Verbindungen zwischen Mensch und Natur, Wissenschaft und Kunst, akustischer und visueller Wahrnehmung zu schaffen. Ansporn und Motivation war für mich auch immer die Möglichkeit, interdisziplinär zu arbeiten und Philosophie, Mathematik, Biologie und andere Wissenschaften einzubinden. 



EREIGNIS 1


EREIGNIS 2


EREIGNIS 3


EREIGNIS 4


EREIGNIS 5


ABSTRACT

Das Ereignis wird in der Philosophie unter anderem: als zeitlich und räumliche Vereinzelung der Wirklichkeit, also als Individualitäten, die sich nicht wiederholen, verstanden.1 Anders, als es meist bei uns Menschen der Fall ist – die wir die Natur gerne im Sinne von Gesetzmäßigkeiten und Wiederholungen begreifen wollen, um Ereigniszusammenhänge zu erklären – versucht EREIGNIS2 die Natur als einmalige Geschehnisse und Prozesse darzustellen. Als Geschehnis, das so nicht wiederholt werden kann und vor allem als Prozess, wie das Leben, eine, an sich selbst oder der Umgebung erkennbare, stetige Veränderung. 

Erst sie macht uns klar, dass die Zeit nicht mehr als ein Begriff ist und sich hinter der Vergänglichkeit der Dinge versteckt. In ihrer Eigensinnigkeit gibt sie uns in der Natur das Gefühl, als würden Vergangenheit und Zukunft in einen einzigen Moment gerinnen. In den Zellen verpackte Geschichten und historische Hintergründe machen die Natur zu einem Rätsel, dessen Lösung wir oft zu kennen glauben. EREIGNIS gibt weder Lösungsansätze, noch ein Endergebnis in irgendeiner Form, sondern gibt Einblick in einen einzigartigen Moment in einem Prozess. Dabei lässt sich EREIGNIS durch die Individualität der Landschaft leiten und hinterlässt auch seinen Abdruck.

Oft interpretieren wir in das Wesen der Natur Gegebenheiten, deren wir uns dann mächtig fühlen. Es könnte der Eindruck entstehen, der Wald sei ein wildes, unwandelbares System, das es von uns „zu erhalten“ oder eher durch ein starres und konstantes Aussehen zu ersetzen gilt. Er ist in Wahrheit ein Erzeugnis der Kultur und der Menschen, künstlich angelegtes Erholungs- und Bewirtschaftungsgebiet aus längst vergessenen Zeiten. Wälder bilden einen Teil der zivilisierten Welt und gleichzeitig, durch ihren stetigen, unbändigen Wandel, auch die Gegenwelt zur Zivilisation.3

Wald oder Natur im Allgemeinen lässt sich zwar ansatzweise erziehen, bestimmt aber nicht beherrschen, nicht heute und sehr wahrscheinlich auch nicht in Zukunft. Denn die Natur ist viel zu eigenwillig, um sie wirklich kontrollieren zu können. Wir können mithilfe der Mathematik oder Naturgesetzen Wahrscheinlichkeiten voraussagen, doch wird sich die Natur nicht bemüßigt fühlen, diesen Gesetzmäßigkeiten immer Folge zu leisten.4 Und so wird ausdrücklich betont, dass EREIGNIS immer auch der Willkür der Natur entspricht oder entsprechen wird, als einer Wahrscheinlichkeit. Es ist auch kein Ansporn, etwas anderes zu erwarten.

Die lexikalische Begrifflichkeit „Natur“ lässt sich durch alles nicht vom Menschen erschaffene beschreiben. Naturgesetze sind dagegen vom Menschen erschaffene Regeln, die man glaubt, so in der Natur vorzufinden. Sie verweisen darauf, dass der Mensch einem gewissen Ordnungsdrang unterliegt und sich alles nicht erklärbare im Chaos widerspiegelt. Diesem Chaos- und Ordnungsprinzip unterlagen schon die Arbeiten vor EREIGNIS und so ergibt sich ein roter Faden, schließlich folgend der Idee „Chaos regiert“.5

1 Vgl. Hampe, M.: Tunguska, S. 291
2 Das Projekt
3 Küster, H.: Geschichte des Waldes, S. 7ff
4 Taschner, R.: Die Natur ist voll von Chaos
5 Von Trier, L.: Antichrist
siehe Literaturverzeichnis im Buch


VIDEO


BUCH



Präsentation
18.10.2012 // 16 Uhr
Botanischer Garten // Linz
EREIGNIS
Published:

EREIGNIS

-------

Published: