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Designstudie | pli: gendersensibel gestalten

Teresa Laura Novotny
Diplomprojekt 2020
Betreut durch Prof. Tom Philipps
Alternative zu stereotyper Designpraxis

pli: ist eine Designstudie, die anhand der Neugestaltung eines Nassrasierers zeigt, wie klassisches Industriedesign mit Genderkompetenz praktiziert werden kann. Während zeitgenössisches Design seiner Rolle als vermittelndes Element von kulturellem Bewusstsein und Fortschritt in vielen Bereichen gerecht wird, ist im Bereich Gendersensibilität bei der Betrachtung verschiedener Produktwelten und deren Vermarktung eine Informationsdiskrepanz zwischen etabliertem gesellschaftlichem Bewusstsein und den in die Produkte eingeschriebenen Skripten zu verzeichnen. Konkret bedeutet dies, dass eine wachsend genderinformierte Gesellschaft mit einem dichotomen, stereotypen Angebot von Produkten und Systemen für den alltäglichen Gebrauch konfrontiert wird. Stereotype Gestaltung hat nachteilige Effekte auf soziokulturelle Dynamiken und wird dennoch weiterhin praktiziert. Um einen Wandel in Bewusstsein und Produktangebot zu implementieren, müssen Alternativen validiert und sichtbar gemacht werden. Die Auswahl von Rasur- und Rasurpflegeprodukten als Projektrahmen wurde mit dem Ziel getroffen, stellvertretend für andere Produktwelten zu veranschaulichen, wie stereotype Nutzer*innenkonfigurationen die Gestaltung eines Produktes beeinflussen. Der Entwurf eines Rasierers nach dem Prinzip der gendersensiblen Gestaltung soll eine Handlungsalternative zu stereotypem Design und das Potential von kritischer Reevaluierung kognitiver Wissensstände in Gestaltungsprozessen aufzeigen.
Gender als Teil unseres Alltags

Produkte unseres täglichen Gebrauchs nehmen wir selten bewusst als mit bestimmten Absichten gestaltete Objekte wahr. Gestaltete Objekte verraten aber mehr über die Welt und ihre Gestalter*innen, als ihre Primärfunktion und ihre Ästhetik zunächst vermuten lassen. Während des Gestaltungsprozesses fließt immer auch die von Gestalter*innen wahrgenommene Lebensrealität in die Objekte ein - bewusst oder unbewusst. Diese eingeschriebenen Informationen in Artefakte, besonders solche über die Beziehung zwischen Produkten und Nutzer*innen, werden Genderskripte genannt. Denn Gestalter*innen schreiben neben anderen soziokulturellen Annahmen auch ihre Annahmen über soziale Geschlechter und Geschlechterrollen in Produkte ein, indem sie gestalten oder nicht gestalten, indem sie Artefakten formalästhetische Eigenschaften wie Formen, Farben und Materialien geben oder sie mit Symbolen, Metaphern oder Analogien versehen. Die Masse der Attribute eines jeden Gegenstandes spiegelt die Realitäten der Gestalter*innen wider und die Masse aller Gegenstände, die Menschen tagtäglich begegnen, die sie tagtäglich betrachten und nutzen, bilden deren Realität. Dies ist als Kreislauf zu verstehen - denn die Gestalter*innen schreiben eine Realität in Artefakte ein, die unter anderem aus der Betrachtung anderer Artefakte hervorgeht. Kein Artefakt ist daher neutral zu betrachten.
​​​​​​​Die Chancen der Gendersensibilität für die Designpraxis

Stereotypes Design hat in vielerlei Hinsicht negative Auswirkungen auf soziale Dynamiken. Indem Produktwelten ein stereotypes Bild von sozialen Geschlechtern reproduzieren, verankern sich die Zuschreibungen bestimmter Wesensmerkmale, Vorlieben und Kompetenzen für Frauen oder Männer im gesellschaftlichen Bewusstsein.
Damit werden nicht nur konservative Rollenbilder gefestigt, sondern auch der Fokus auf die primäre Produktfunktion vernachlässigt. Gendersensibilität im Produktdesign ermöglicht es Gestalter*innen, sich auf die grundlegenden Bedürfnisse von Nutzer*innen gegenüber dem gestalteten Produkt zu konzentrieren: Nassrasierer sollen die Haut zuverlässig, schnell sowie ohne Hautreizung rasieren und dabei angenehm in der Handhabung sein. Bei der Betrachtung verschiedener Annahmen, die dem klassischen Nassrasiererdesign augenscheinlich zugrunde liegen, stellte sich keine Notwendigkeit für unterschiedliche Rasurprodukte für Männer- und Frauenhaut heraus. Vielmehr zeigte sich in der Untersuchung, die auch eine Befragung von potentiellen Nutzer*innen miteinbezog, dass die genderneutrale Gestaltung eines Nassrasierers die Chance bietet, den Anforderungen an das Produkt besser gerecht zu werden.
pli:

pli: ist der Nassrasierer, der aus dem in der Designstudie vorgelegten Transfer von Genderforschung in Designpraxis entstanden ist. Der Rasierer ist nicht nur gendersensibel und verzichtet damit auf stereotype Vergeschlechtlichung, ihm liegt auch der Fokus auf Hautfreundlichkeit und Effizienz der Rasur zugrunde. Eine Analyse des gesamten Rasurprozesses bietet den zukünftigen Nutzer*innen Hintergrundwissen und ermöglicht ihnen, die Nutzung kompetent auszuführen. Dabei ist der Rasierer in seinem gesamten Lebenszyklus nachhaltig gestaltet: eine zeitlose Erscheinung, qualifizieren ihn als Emotional Durable Design sowie Design for Sustainable Behaviour und eine minimal nötige Anzahl an Komponenten, die aus lange haltbaren und hygienischen Materialien gefertigt ist, machen ihn zu einem Beispiel für klassisches Eco Design.

Ansprechpartner*innen

Teresa Laura Novotny
Industriedesignerin
& Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Designforschung der Hochschule Darmstadt
Gestaltung, Forschung
teresa.novotny@h-da.de

Prof. Tom Philipps
Betreuung der Arbeit
tom.philipps@h-da.de

Näheres zur Arbeit

Die Abschlussarbeit wurde für die wissenschaftliche Veröffentlichung angepasst.

Jedes Jahr werden vom Gender- und Frauenforschungszentrum der Hessischen Hochschulen für angewandte Wissenschaften Abschlussarbeiten zur Genderthematik ausgezeichnet.
Designstudie | pli: gendersensibel gestalten
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