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Errechnete Persönlichkeit | Artikel/Leseprobe

Leseprobe:

ERRECHNETE PERSÖNLICHKEIT: 
WARUM CGI-INFLUENCER KEINE AUTHENTIZITÄTS-PROBLEME HABEN

Influencer sind die neuen Promis
Früher waren Promis wie Sportstars, Schauspieler oder Topmodels beliebte Werbegesichter diverser Marken. Als Influencer kann man sich die Anstrengungen einer derartigen Karriere sparen. Der Fokus liegt nicht mehr auf den im Vorfeld erbrachten Leistungen, sondern auf der Person an sich. In den letzten Jahren boomt das Business um die Online-Stars.  Influencer teilen ihr Leben und ihre Gedanken bereitwillig mit der Öffentlichkeit. Big Brother war gestern. Heute müssen sich narzisstisch veranlagte Menschen nicht mehr wochenlang auf engstem Raum unter ständiger Beobachtung zusammensperren lassen. Es genügt, zuhause mit kleinem Equipment das tägliche Leben aufzuzeichnen, zu streamen und zu teilen. Dieses Angebot kommt auch der stetigen Neugier der heutigen Gesellschaft entgegen.

Kreativität ist gefragt
Ganz so einfach wie es klingt, ist das Influencer-Leben aber nicht. Natürlich reicht es längst nicht mehr aus, seinen Tagesverlauf abzufilmen und ins Netz zu stellen. Die Inhalte sollten attraktiv, unterhaltsam oder informativ sein, um die Follower am Ball zu halten und die eigene Reichweite auszubauen. Zudem spezialisieren sich Influencer auch gerne auf verschiedene Themengebiete wie Beauty, Sport, Ernährung, Lifestyle oder Reisen und werden im jeweiligen Gebiet zur verlässlichen Quelle. Es erfordert Geduld und Zeit, sich online einen Namen zu machen. Die Konkurrenz ist riesig, denn alle wollen das glamouröse Luxusleben, das in vielen Profilen zelebriert wird.

Influencer als Markenbotschafter
Wie am Anfang des Artikels beschrieben kooperieren Unternehmen heute nicht mehr ausschließlich mit klassischen Promis, sondern vermehrt auch mit beliebten Influencern. Sie können dadurch auf die Reichweite der Online-Stars zugreifen. Durch die Spezialisierung der einzelnen Influencer können Zielgruppen passgenau angesprochen werden. Darüber hinaus ist die Zusammenarbeit mit Influencern oft noch kostengünstiger als die Kooperation mit einem „richtigen“ Promi.
Es ist von enormer Wichtigkeit vorab realistisch zu betrachten, ob die Werte und Botschaften des Unternehmens bzw. der Marke oder des Produkts mit denen des Influencers kompatibel sind. Eine persönliche Abstimmung zwischen Unternehmen und Influencer ist dabei oft mitentscheidend für den Erfolg oder Misserfolg einer Kampagne. Unternehmen müssen verstehen, wie der Influencer und seine Follower ticken und sollten darauf verzichten exakte Contentvorgaben zu machen. Der Influencer selbst sollte kreativen und authentischen Content erschaffen. Nur so können peinliche Flops (und von denen gibt es im Influencer-Marketing wirklich mehr als genug) vermieden werden.

Wem wollen wir glauben?
Durch eine kluge Auswahl der Kooperationspartner und dank der Produktion von ehrlichem Content können Influencer eine persönliche Verbindung zu ihrer Fangemeinde aufbauen. Sie werden als authentisch wahrgenommen und die geschickt in Fotos und Videos platzierten Produkte somit mit großer Wahrscheinlichkeit nachgekauft. Werden hingegen wiederholt Produkte beworben, die nichts mit dem restlichen Auftreten des Influencers zu tun haben, verliert dieser schnell an Glaubwürdigkeit und wird als „fake“ wahrgenommen. Dies schadet letztendlich nicht nur dem Kanal des Influencers und seiner Reichweite, sondern auch dem Image des involvierten Unternehmens.

Virtuelle Influencer: Die nächste Generation
Erfolgreiches Influencer-Marketing und Authentizität gehen also Hand in Hand. Zumindest war das der Glaubenssatz von vielen, bevor CGI (Computer Generated Imagery) und KI (Künstliche Intelligenz) neue Wege zur Gewinnung vieler Follower und damit vieler potenzieller Neukunden ermöglicht haben. Denn der altbewährte Grundsatz rund um die Authentizität gilt scheinbar nur für Influencer aus Fleisch und Blut. Nicht anders ist es zu erklären, warum sich Marken wie Prada, Chanel, UGG oder Calvin Klein neuerdings um eine Influencerin reißen, die ausschließlich aus Bits und Bytes besteht.

Der Hype um Lil Miquela
Lil Miquela nennt sich das „19-jährige Mädchen“. Sie ist Model und Sängerin und ihr folgen bereits über 2 Millionen Menschen auf Instagram. Doch Lil Miquela oder Miquela Sousa, wie sie im bürgerlichen Namen heißt, ist nicht real. Die erste virtuelle Influencerin wurde von einem in Los Angeles ansässigen Entwickler-Team, das sich „brud“ nennt, zum Leben erweckt. Einzelheiten zum Projekt „Lil Miquela“ oder ihren Schöpfern findet man hingegen kaum. Die Webseite von „brud“ besteht nur aus einem rudimentär befüllten Google-Docs-Dokument – das hätte man sicher besser hinbekommen. Doch scheinbar fehlt der Wille zu einer transparenten Darstellung, denn diese Verschleierungsversuche sind wohl mit ein Grund, warum der Mythos rund um Lil Miquela derart beflügelt wird. Generell ist die Entstehungsgeschichte des hübschen dunkelhaarigen Mädchens mit der besonderen Frisur und den Sommersprossen sehr lückenhaft. Daher war nach Lil Miquelas ersten Social Media Auftritten einigen Internetnutzern auch gar nicht bewusst, dass es sich bei ihr um keinen echten Menschen handelt. Schließlich wirken auch viele andere Influencer dank Schönheits-OP, Bildbearbeitung und Filter-Wahnsinn auf ihren Fotos wie die gemalte menschliche Perfektion.

Ist Lil Miquela authentisch?
Zurück zum Ausgangspunkt: Influencer und ihre Authentizität. Schlägt man im Duden nach, findet sich zum Wort Authentizität folgende Beschreibung: echt; den Tatsachen entsprechend und daher glaubwürdig

Einen virtuellen Avatar als „echt“ zu bezeichnen, fällt wohl vielen schwer. Zumindest könnte man Lil Miquela anrechnen, dass sie „den Tatsachen entspricht“. Immerhin macht sie mittlerweile kein Geheimnis mehr daraus, kein echter Mensch zu sein. Könnte man daher sagen, dass Lil Miquela „glaubwürdig“ ist? Und wem würde man denn glauben, wenn man diese Frage mit „Ja“ beantwortet? Einer einzelnen Person, die durch den Avatar Lil Miquela ihre Meinung kundtut? Einem ganzen Entwickler-Team? Oder gar einer künstlichen Intelligenz? Vielleicht werden bei virtuellen Influencern tatsächlich andere Maßstäbe angesetzt. Im Bewusstsein, dass nichts real ist, verfolgt man die Geschichten von Lil Miquela, wie man es auch bei seiner liebsten Daily Soap tun würde. Einfach nur aus Vergnügen und ohne die Glaubwürdigkeit der Fantasiefigur selbst zu hinterfragen.

Was können reale Influencer von Lil Miquela lernen?
Lil Miquela hat wohl alles richtig gemacht. In einem Interview mit Samsung gibt sie „echten“ Influencern sogar Tipps, um sich erfolgreich eine persönliche Marke aufzubauen.

Das rät Lil Miquela ihren Influencer-Kollegen:
- Poste, womit du dich auskennst und teile deine Leidenschaft mit anderen.
- Erzähle emotionale und mitreißende Geschichten.
- Bleib authentisch und sei ehrlich zu deinen Followern.
- Du musst nicht alles teilen, Instagram zeigt nie die ganze Realität.
- Und ein Tipp zum Umgang mit Hatern:
- Bewahre dir einen gewissen emotionalen Abstand.


Es bleibt abzuwarten, in welche Richtung sich das Influencer-Marketing in den nächsten Jahren entwickeln wird. Vielleicht ist der Reiz rund um die digitalen Influencer wie Lil Miquela in kurzer Zeit verflogen, vielleicht gehören sie aber auch bald zum Social-Media-Standard dazu. Mit immer neuen Features und Plattformen, wie TikTok die innerhalb kürzester Zeit einen riesigen Nutzerzuwachs verzeichnen, ist es schwierig langfristige Vorhersagen zu treffen. Unternehmen sollten daher vor allem offen bleiben und die Entwicklung in diesem Bereich interessiert verfolgen, um neue Chancen für sich nutzen zu können.
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